Mehr Kundenservice contra Personalkosten sparen
Von Walter Stuber
An die Tankstelle fahren, aussteigen, Zapfstutzen von der Säule nehmen und los geht’s! Als Geschäftsführer bin ich viel mit dem Auto unterwegs. Deshalb kann ich gar nicht mehr zählen, wie oft ich diese Prozedur in den letzten Jahrzehnten schon hinter mich gebracht habe.
Dass es bis Anfang der 1980er Jahre noch ganz anders lief, kann sich heute kaum einer mehr vorstellen. Damals konnte man als Fahrer bequem im Auto sitzen bleiben und ließ sich vom Tankwart bedienen. Auch die Damen brauchten keine Sorge haben, dass Finger oder gar Kleidung beim Tanken in Mitleidenschaft gezogen werden würden. Sogar bezahlt wurde am Fenster.
Beginn einer Erfolgsgeschichte – Ende eines Berufstandes
Das änderte sich, als vor rund 45 Jahren der Kemptener Energiehändler Präg in der Nähe von Augsburg die erste Selbstbedienungstankstelle in Deutschland eröffnete. Der damalige Geschäftsführer, Gerd Deisenhofer, hatte diese revolutionäre Idee aus Schweden importiert. An den Erfolg glaubte anfänglich vermutlich nur er selber.
Er sah die Personalkosten, die er dadurch einsparen würde. Seine Kritiker dagegen konnten es sich nicht vorstellen, dass irgendwer bereit wäre, sich selber die Hände schmutzig zu machen. Aber es funktionierte wirklich! So gut, dass bis Mitte der 1980er Jahre die Bedientankstellen völlig vom Markt verschwunden waren und damit auch die netten Tankwarte, die sich nicht um das Befüllen des Autos mit Kraftstoff kümmerten, sondern auch die Scheiben reinigten und, wenn gewünscht, den Reifendruck überprüften.
Zurück zum alten Angebot
Hin und wieder gab es von Tankstellenbetreibern Versuche, den alten Service wieder aufleben zu lassen. Aber leider fand das keinen Anklang bei den Kunden. Warum eigentlich nicht? Ich finde den Gedanken sehr attraktiv, dass ich wieder auf die Tankstelle fahren kann und sich jemand um mein Auto kümmert. Der Gang zur Kasse würde sicherlich bleiben. Auf die Umsätze, die in der Tankstelle durch den Verkauf von Getränken, Lebensmitteln usw. gemacht werden, würde sicher kein Pächter verzichten wollen.
Klar müsste man für den Kundenservice einen Mehrpreis zahlen. Ob das mit dem Spritpreis verrechnet werden würde oder auf der Basis eines Trinkgeldes funktionieren würde, müsste der Betreiber dann entscheiden. Ich bin mir sicher, dass das Geld dafür da wäre.
Hilfreicher Kundenservice
Nicht nur an Tankstellen zeigt sich, dass wir in Deutschland in einer „Servicewüste“ leben. Das Weihnachtsgeschäft ist bereits angelaufen. Gerade in diesen hektischen Wochen wäre im Einzelhandel ein Plus an Service, der über den „Geschenke-Einpack-Service“ hinausgeht, für alle hilfreich. Wie wäre es, wenn an den Supermarktkassen freundliche Menschen beim Einpacken helfen und vielleicht sogar die Einkäufe zum Auto tragen würden? In den USA gibt es so etwas das ganze Jahr über. Ein Trinkgeld wird übrigens nicht erwartet!
Aber auch in anderen Bereichen gäbe es in Deutschland meiner Meinung nach genügend Möglichkeiten den Service auszubauen. Ärzte könnten zum Beispiel einen Hol- und Bringdienst für ihre Patienten anbieten. Es hätte den Vorteil, dass die Wartezeiten in der Praxis verkürzt werden könnten. So etwas würde ich auch sehr gerne in Anspruch nehmen. Dass das nicht umsonst machbar ist, ist mir auch klar.
Die Antwort auf Bequemlichkeit
Ich glaube, dass ich nicht der Einzige bin, der bereit ist für mehr Service etwas zu zahlen. Ein Beweis dafür sind die steigenden Zahlen der Online-Verkäufe von Lebensmitteln und Warenvorräte. „Hellofresh“, „Kochhaus“ und sogar der Discounter Lidl bieten mittlerweile Kochboxen an. Preiswerter wäre es auf jeden Fall, selber einkaufen zu gehen. Aber wenn man es nach Hause geliefert bekommt, ist es eben viel bequemer.
Das würde mich schon reizen. Aber Lebensmittel kaufe ich grundsätzlich aus der Region. Gerade deshalb würde ich mir von unseren Händlern vor Ort wünschen, dass auch sie mehr Service anbieten würden für die, die alles gerne direkt bis nach Hause geliefert bekommen und trotzdem Regionales bevorzugen.
Regio-App als Chance
Wie das funktionieren könnte, dazu habe ich viele Ideen im Kopf. Eine wichtige Voraussetzung dafür wäre aber, dass sich möglichst viele Gewerbetreibende aus einer Gegend an einen Tisch setzen und Kooperationen eingehen würden.
Gemeinsam könnte man dann eine „Regio-App“ betreiben. Wer darüber zum Beispiel eine Pizza bestellt, bekommt nicht nur den passenden Wein und Nachtisch angeboten, sondern auch Geschirr, Besteck, Tischdekoration und einen Blumenstrauß.
Aber auch Handwerker und andere Dienstleister sollten in solche Regio-Apps einbezogen werden. Nur so kann man auf die Bedürfnisse der Kunden am besten eingehen und kleinere Unternehmen haben die Chance zu überleben. Ich bin gespannt, ob noch andere Unternehmer mitmachen und wieder mehr Kundenservice anbieten! Und vielleicht gibt es eines Tages wieder Tankwarte! Mich würde es freuen!
Das finde ich auch eine grossartige Idee Herr Stuber. Ich bin dankbar, in einer Klinik arbeiten zu dürfen, wo Patienten selbstverständlich begleitet werden, unter anderem auch von Menschen, die aus dem ersten Arbeitsmarkt draussen sind. Auch sonst werden viele Dienstleistungen am Empfang einfach so gegeben was Patienten enorm schätzen.
Als wir eimal in Barcelona in einem Einkaufscenter waren, war ich beeindruckt, wie geistig Behinderte mit viel Freude verantwortungsvoll die Einkaufskörbe und Wägeli versorgten.
Es wäre also möglich, dass in unserer Gesellschaft wieder mehr so wertvolle Dienste angeboten würden.