„Sechzig Jahre und kein bisschen weise, aus gehabtem Schaden nichts gelernt.
Sechzig Jahre auf dem Weg zum Greise und doch sechzig Jahr’ davon entfernt.“ Kein Wunder, dass mich seit Wochen dieses Lied von Schauspieler Curd Jürgens begleitet. Zu seinem sechzigsten Geburtstag im Jahr 1975, hat er es veröffentlicht und kam mit seinem Sprechgesang sogar in die Hitparade.
Im Januar bin ich selber sechzig geworden. Ich habe ziemlich viel erlebt in diesen vielen Jahren. Manchmal denke, dass es schön gewesen wäre, wenn ich mit dreißig schon das gewusst hätte, was ich heute weiß. Ich hätte mir – und anderen – viele Fehler ersparen können, die nicht nur Geld gekostet haben, sondern auch menschliche Enttäuschungen gebracht haben.
Von Walter Stuber
Warum bin ich, wie ich bin?
Ich brauche nur an die Zeit zurückzudenken, in der ich wie ein Tyrann mit meinen Mitarbeitern umgegangen bin. Ich habe sie angebrüllt, wegen Nichtigkeiten entlassen. Mir konnte man nichts recht machen. Auch in der Familie war ich nicht gerade der Ausgeglichenste. Das tut mir heute sehr leid. Immer wieder kam in letzter Zeit die Frage in mir hoch, warum ich so war und auch heute noch in bestimmte Verhaltensmuster falle.
Aus mir heraus fand ich aber keine Antworten. Deshalb habe ich mir Hilfe von außen geholt. Seit einigen Wochen bin ich per Zoom in psychologischer Beratung. Es tut mir gut, mit jemand anderem auf mein Leben zu schauen. Wir analysieren zum Beispiel, warum ich sofort darauf anspringe, anderen helfen zu wollen und am Ende enttäuscht bin, dass ich für meinen Einsatz noch nicht mal eine „Danke“ gesagt bekomme. Hier habe ich das erste Mal etwas über das „Retter-Opfer-Syndrom“ und dem „Inneren Kind“ gehört.
Aus der Vergangenheit für heute lernen
„60 Jahre und kein bisschen weise….“ Ja, es stimmt, was Curd Jürgens gesungen hat. Aber das hat für mich nichts mit Resignation zu tun. Ich bin froh, dass ich mir lebenslanges Lernen auf die Fahnen geschrieben habe und es deshalb auch jetzt nicht zu spät ist, meine Kindheit, das Verhältnis zu meinen Eltern und meinen Werdegang genauer zu betrachten.
Das hilft mir, mein Verhalten, das ich früher an den Tag gelegt habe, besser zu verstehen und alte Fehler nicht mehr zu wiederholen. Eins steht fest: Nochmal sechzig Jahre habe ich garantiert nicht mehr zur Verfügung.
„Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf das wir klug werden.“
So steht es schon in den alten Schriften der Bibel. Ich will ein verantwortungsvolles Leben führen. Dazu gehört für mich, dass ich zurückschaue und Konsequenzen ziehe für mein Leben jetzt und hier.