Ein Gastbeitrag von Alexandra Anger
Mein Vater war Busunternehmer in Potsdam. Er war viel unterwegs, hatte reichlich Arbeit und bekam selten Geschäfte, bei denen wirklich etwas hängen blieb. Wen wundert es, dass ich als Kind der Selbstständigkeit nicht viel Gutes abgewinnen konnte. Später nahm ich noch etwas wahr: Er war ein Einzelkämpfer sowie alle anderen Unternehmer in der Gegend auch. Jeder kochte sein eigenes Süppchen und war froh, wenn er ein Stück vom (Umsatz-)Kuchen abbekam.
Offener Austausch, Unterstützung oder Empfehlungen, das gab es kaum. Es herrschte schlicht Misstrauen. So geprägt absolvierte ich mein Betriebswirtschaftsstudium mit Schwerpunkt Tourismus, denn ich hatte fest vor in unseren Familienbetrieb einzugsteigen.
Die Entdeckung: BNI
Meine Schwester bekam 2010 Kontakt zu einer Business Network International (BNI) Gruppe in Berlin. Sie war erstaunt: Hier erlebte sie Unternehmer, die nicht nur darauf bedacht waren, dass es ihnen gut ging, sondern die sich austauschten und gegenseitig unterstützten! Das hat mich auch sofort begeistert!
Nachdem ich über BNI einen Business Coach und sein Wirkungsfeld kennenlernte, entschied ich mich 2013 das Familienunternehmen zu verlassen und zukünftig auch im Bereich Business Coaching zu arbeiten. Allerdings war dieses Fachgebiet in den beiden damals bestehenden Unternehmerteams in Potsdam schon vorhanden. Deshalb wurde ich Mitglied in Berlin.
Neue „Berufung“
Aufgrund meines Engagements beim Einladen von Besuchern wurde ich ins Team der Partnerdirektoren nach Berlin berufen, um dort neue Unternehmerteams aufzubauen. Als ich damit in Berlin begann, wurde mir deutlich, dass mein Wirkungsfeld meine Heimat ist: Potsdam.
Neben meiner Tätigkeit im Business Coaching habe ich zwei Unternehmergruppen in Potsdam und Brandenburg/Havel aufgebaut. Das war die Voraussetzung dafür, dass ich zusammen mit meinem Mann in diesem Jahr diese Region als Direktorin übernehmen konnte. Seit September ist das nun meine Haupttätigkeit und meine „Berufung“.
Höchste Priorität: Menschen zusammen bringen
Es ist eine große Fläche, die wir betreuen. Allerdings gibt es hier nur 750 000 Einwohner. Ich habe mir vorgenommen, die Zahl der Mitglieder in unserem Bereich zu steigern, damit das Netzwerk weiter gespannt und die Zusammenarbeit für die Unternehmer noch attraktiver wird. Ein weiterer Schwerpunkt meines Engagements liegt darin, schon im Aufbau von neuen Gruppen zu überlegen, welche Fachgebiete zusammen passen um als Kompetenz-Team auftreten zu können. Zum Beispiel für Veranstaltungen: Fotograf, Werbeagentur und Eventausrichter bieten gemeinsam ein Komplettpaket an.
Höchste Priorität hat für mich das Zusammenbringen von Menschen, die offen sind für neue Ideen und bei denen nicht sofort die Frage im Vordergrund steht: „Was bringt mir das?“ Viele haben Angst, dass sie zu wenig Umsätze machen, wenn sie andere weiterempfehlen. Ich sage dagegen: Der Markt ist groß! Es ist genug für alle da, wenn wir uns absprechen und jeder den Part übernimmt, in dem er oder sie Spezialist ist!
Jeder ist willkommen
Vielerorts herrscht immer noch viel Misstrauen, das teils seit Generationen „gepflegt“ wird! Deshalb ist der Gedanke des „Miteinanders“ schwer zu vermitteln. Manchmal habe ich den Eindruck, dass viele gar nicht mehr wissen, warum sie nicht mit dem anderen zusammenarbeiten! Es ist eine vererbte Familientradition, die nicht hinterfragt wird. Ich trete dafür ein, diese alten Vorurteile zu überwinden.
Ich biete eine Plattform, bei der Menschen miteinander ins Gespräch kommen können. Das ist das beste Mittel um Vorurteile abzubauen, sich neu kennenzulernen. Das ist die Basis um wieder miteinander gute Geschäfte machen zu können. In unseren Gruppen wird jeder Gast herzlich willkommen geheißen und hat die Chance neue Kontakte zu knüpfen.
Familie und Beruf
Meine noch junge Arbeit als Exekutivdirektor ist für mich ein echter Glücksgriff. Zum einen kann ich meine Berufung leben und zum anderen kommt meine freiberufliche Tätigkeit mit Home-Office und (fast) freier Zeiteinteilung, meiner Familie sehr zugute!
Unsere 7 und 10 Jahre alten Kinder wissen es zu schätzen, dass die zwei Stunden Fahrzeit zu meiner früheren Arbeitsstelle in Berlin wegfallen. Dadurch bin ich – trotz der vielen Arbeit- zu Hause präsenter. Aber ohne die Unterstützung meines Mannes, der auch im BNI engagiert ist, und die der Großeltern, wäre der Alltag nicht so leicht zu stemmen.
Die nächste Unternehmer-Generation
Besonders unsere große Tochter nimmt sehr bewusst wahr, dass ich jetzt selbstständig tätig bin. Das wurde durch einen Aufsatz deutlich, den sie in der Schule schreiben sollte. Sie musste sich in ihre berufliche Zukunft hineinversetzen.Sie beschrieb darin, dass sie morgens wach werden und feststellen würde, dass sie verschlafen hatte. Dann wurde ihr aber schnell klar, dass das ja gar nicht so schlimm war, denn sie war ja selbstständig tätig und kann sich ihre Zeit selbst einteilen.
Ich musste über ihre Ausführungen schmunzeln und gleichzeitig war ich sehr froh! Denn im Gegensatz zu mir, die die Selbstständigkeit des Vaters früher eher als Belastung für die Familie erlebt hat, scheint sie ein positives Bild davon zu haben. Das gibt mir Auftrieb für mein weiteres Engagement als Exekutivdirektor.