Von Walter Stuber
Anfang Dezember. Ein ganz normales Netzwerk-Frühstückstreffen. Wie immer stehen der Reihe nach die Unternehmer auf und präsentieren in einer Minute ihr Business. Mein Blick schweift durch die Runde: Von zwanzig Netzwerkpartnern schauen mindestens sechs wie gebannt nach unten – auf ihre Smartphones. Was gerade Spannendes erzählt wird, können sie unmöglich mitbekommen haben.
Ich gebe es zu: Es ist erstaunlich, dass ich in diesem Moment nicht selber einer der Handygucker war! Denn zu gerne schaue ich „mal eben“ was es in den sozialen Medien Neues gibt oder checke kurz meine Mails. Damit stehe ich nicht alleine da. Viele machen das – und das nicht nur, wenn es ums Geschäft geht.
Auslaufmodell: Persönliches Gespräch?
Neulich habe ich auf dem Weihnachtsmarkt eine Familie beobachtet. Vater, Mutter und die zwei Kinder standen zusammen und jeder hatte ein Smartphone in der Hand. „Ob sie sich gegenseitig wohl gerade Nachrichten zuschicken?“, schoss es mir durch den Kopf. Gesprochen haben sie auf jeden Fall nicht miteinander.
Ist das die Entwicklung? Da wird eher im Internet gechattet, als mit einer realen Person geredet. Verlernt die Menschheit womöglich irgendwann mal, wie man ein „echtes“ Gespräch von Angesicht zu Angesicht beginnen und führen kann? Stirbt die gute alte Unterhaltung aus – zugunsten von Chats und Sprachnotizen? Was wird das für Auswirkungen haben? Wir Menschen sind doch auf Beziehung angelegt und dazu gehört einfach auch der persönliche Austausch!
Anschauen = Wertschätzung
Mir ist klar: Ich muss mich als erstes an die eigene Nase fassen! Das Smartphone hat auch bei mir Suchtpotential. Ich denke, ich müsste immer und überall erreichbar sein. Wie oft habe ich schon, während ich mit jemandem redete, mein Handy aus der Tasche gezogen und drauf geschaut, nur weil gerade ein Vibrieren signalisiert hatte, dass eine Nachricht angekommen war.
Statt meinen Gesprächspartner anzuschauen, guckte ich aufs Smartphone! Das ist unhöflich und keine Wertschätzung für mein Gegenüber. Interessant, dass mir das gerade in dem Moment ganz bewusst geworden ist, als ich neulich die „aufs Handy starrenden“ Netzwerker beobachtet habe.
Viele virtuelle Freunde – analog einsam
Ich will ab sofort darauf achten, dass ich nicht immer wieder in die „Ich-muss-immer- sofort-alles-wissen-Falle“ tappe. Mein Handy soll nicht mehr in jeder Lebenslage in Sicht- und Griffweite sein. Sowohl am Tag als auch nach Feierabend. Als erste Maßnahme habe ich mir eine neue Leselampe für meinen Lieblingssessel gekauft, damit ich abends in Ruhe und bei gutem Licht ein Buch lesen kann und nicht im World Wide Web herumsurfe. Anstatt mit Menschen in der virtuellen Welt zu chatten, will ich lieber mit meiner Frau sprechen.
Damit tue ich uns beiden etwas Gutes, habe ich jetzt in einem Online Artikel gelesen, in dem die TÜV Rheinland Fachgebietsleiterin Iris Dohmen zitiert wird: “Wer sich nur noch online austauscht, läuft Gefahr, im realen Leben zu vereinsamen. Gerade im privaten Bereich ist ein persönliches Gespräch oft sehr bereichernd und der Grundstein für gemeinsame Aktivitäten in der realen Welt. Das sorgt für eine gesunde Balance, die auch der Leistungsfähigkeit im Beruf zugutekommt”. Noch ein Grund mehr, nicht ständig online zu sein! Und außerdem: Der Blick in ein freundliches Gesicht ist doch allemal schöner als auf ein eckiges Handydisplay!