Von Walter Stuber
Wasserräder bauen, Forellen fischen, den Bach anstauen und manchmal bin ich mit meinen Freuden bis zu zehn Kilometer gewandert, nur um die leckersten Süßkirschen direkt vom Baum klauen zu können. Was habe ich als Jugendlicher immer den Sommer in und um meinen Heimatort Eibensbach in Baden-Württemberg genossen.
Wenn ich in der Natur unterwegs war, konnte ich vieles, was nicht so schön war, vergessen: Meine spastische Spinalparalyse, die mir das Laufen erschwerte; das nicht besonders herzliche Verhältnis zu meinen Eltern und nicht zuletzt, dass ich in der Schule schlecht war. Lernen und vor allem Lesen fielen mir schwer. Ich hatte keine große Lust mich anzustrengen. Es stand sowieso fest, dass ich eines Tages die Landwirtschaft meiner Eltern übernehmen würde. Was brauchte ich da gute Noten?
Ein merkwürdiger Konfirmationsspruch
Zu Hause habe ich nicht viel Anerkennung bekommen, deshalb habe ich mich als Teenager gerne andernorts in den Vordergrund gespielt. Auch im Konfirmandenunterricht. Zur Konfirmation bekam ich folgenden Vers aus dem Matthäus-Evangelium Kapitel 16, 26 mit auf den Lebensweg: „Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?“ Der Vers hat mich immer begleitet, auch wenn ich nicht verstanden habe, warum der Pfarrer gerade diesen Satz für mich ausgewählt hat. Dass ich eines Tages ein erfolgreicher Unternehmer sein würde, war damals überhaupt nicht abzusehen.
Nach der Schule, die ich mehr schlecht als recht abgeschlossen habe, lief es nicht wie geplant. Meine Ausbildung zum Landwirt musste ich nach kurzer Zeit aufgrund meiner Behinderung abbrechen. Ich wurde Bürokaufmann. Darüber kam ich mit dem Gerüstbau in Kontakt, arbeitete als Bauleiter und später auch als Geschäftsführer einer Gerüstbau-Niederlassung, die ich dann mit einem Kollegen übernahm. Jetzt hatte ich Erfolg. Der christliche Glaube spielte überhaupt keine Rolle mehr in meinem Leben.
Neustart mit Hilfe „von oben“
Viele Jahre lang lief alles gut. Dann häuften sich die dramatischen Ereignisse: Ein tödlicher Arbeitsunfall auf einer unserer Baustellen; ein Kalkulationsfehler, der fast in die Insolvenz führte; eine Operation, bei der zu befürchten war, dass ich danach den Rest meines Lebens im Rollstuhl verbringen müsste. Plötzlich war da wieder der Konfirmationsspruch in meinem Kopf und mir wurde klar: Ich stand wirklich kurz davor „die Welt zu gewinnen“ und „Schaden an meiner Seele zu nehmen“. Damals habe ich Gottes Liebe und sein bedingungsloses „Ja“ zu mir ganz neu für mich in Anspruch genommen.
Vorher war ich als Chef ein Tyrann, habe Leute heruntergeputzt oder wegen Kleinigkeit sogar entlassen. Auch zu Hause war ich nicht immer der Friedlichste. Durch den neu entdeckten Glauben an den barmherzigen, liebenden Gott, den Vater von Jesus Christus, konnte ich meiner Familie, den Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten und Geschäftspartnern mit einer wohlwollenden, wertschätzenden Haltung begegnen, die ich vorher so nicht kannte. Natürlich bin ich manchmal in alte Verhaltensmuster zurückgefallen. Das passiert bis heute. Aber ich habe gelernt mich zu entschuldigen. Auch bei Mitarbeitern, die schon lange nicht mehr im Unternehmen sind, zu denen ich sehr ungerecht war. Meine Veränderung war offensichtlich und wenn ich darauf angesprochen wurde, habe ich von meinem Neustart mit Gott erzählt. Die einen hat das irritiert. Schließlich lebte ich schon damals in Mittelsachsen, einer Region, in der das atheistische Erbe der DDR bis heute zu spüren ist. Die anderen hat es ins Nachdenken gebracht. Das hat mich besonders gefreut.
Leuchtturm sein
Meine „Kehrtwende“ liegt nun schon einige Jahre zurück. Als „verrückter Unternehmer“ und MUTMACHER bin ich in vielen Netzwerken und den sozialen Medien aktiv, nicht nur als Spezialgerüstbauer, sondern auch bewusst als Christ. Ich weiß, dass einige Menschen um mich herum deshalb ganz genau schauen, ob das, was ich tue und lasse auch im Einklang steht mit dem, was ich glaube! Aber das nehme ich gerne in Kauf.
Durch Jesus Christus habe ich die Anerkennung und die Liebe gefunden, die ich seit Kindheitstagen vermisst habe. Ich weiß, dass viele Menschen auch auf der Suche nach dieser heilsamen Erfahrung sind. Deshalb möchte ich überall da, wo ich bin, ein Leuchtturm für Jesus sein.
Lieber Walter, auch wenn ich die Geschichte im wesentlichen kenne, regt sie mich immer wieder zum Nachdenken an. Vielen Dank für Alles.