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Allgemeine Themen / 17. April 2018

„Geschlossen!“

Von Walter Stuber

„Wenn Du noch mehr Umsatz machen willst, dann komm zur Vertriebsoffensive!“ Mit diesem Satz wirbt der Verkaufstrainer, Redner und Autor Dirk Kreuter in seinem YouTube Kanal und auf seiner Homepage www.dirkkreuter.com . Anfang März wollte ich seine Strategien und Anregungen mal live hören und erleben. Also bin ich nach Berlin aufgebrochen. Trotz reichlich Zeit für die Anreise wurde es dann durch Staus und Umleitungen noch knapp. Schon von unterwegs aus habe ich im Estrel Hotel, dem Veranstaltungsort,  angerufen und mich erkundigt, wo ich parken könnte.

Durch meine Gehbehinderung muss ich für Wege etwas mehr Zeit einplanen als diejenigen, die gut zu Fuß sind. „In der Parkgarage des Hotels!“, war die Antwort. Das klang gut. Nur 15 Minuten vor Veranstaltungsbeginn kam ich endlich an. Siegessicher steuerte ich die Parkgarage zu. „Geschlossen!“,  leuchtete es mir entgegen. Wegen Überfüllung, wie sich später herausstellte.

Nochmal gut gegangen

Also habe ich eine Runde um das Hotel gedreht. Ich entdeckte auf der Rückseite einen freien Platz, parkte ein, legte meinen Behindertenausweis hinter die Frontscheibe und stieg aus. Sofort war ein Mann vom Sicherheitsdienst da und bat mich freundlich mein Auto zu entfernen und mir einen anderen Parkplatz außerhalb des Hotelgeländes zu suchen.

Daraufhin fragte ich ihn höflich, ob es nicht möglich wäre als Schwerbehinderter ausnahmsweise diesen Parkplatz nutzen zu dürfen. Und tatsächlich: Nach ein paar Telefonaten mit dem Empfang und dem Vorgesetzten war dann doch möglich! Für mich ist die Sache gut ausgegangen und ich kam noch pünktlich zum Event.

Menschen mit Handicap gibt es hier nicht

Aber was macht ein Rollstuhlfahrer, wenn es an einem Veranstaltungsort keine Behinderten-Parkplätze gibt? Diese  Frage ließ mir den ganzen Tag über keine Ruhe. Ich habe dann ganz bewusst im Estrel Hotel Ausschau gehalten nach Rolli-Fahrern oder anderen Gehbehinderten, wie ich es bin.

Fehlanzeige! Da sind rund 3500 Verkäufer, leitendes Personal, selbstständige Unternehmerinnen und Unternehmer – und keiner hat ein sichtbares Handicap! Das ist leider nicht nur bei der „Vertriebsoffensive“ das übliche Bild. Ob bei Rotary, BNI oder sonstigen Netzwerktreffen und Wirtschaftsverbänden wiederholt sich das, auch wenn es hier und da dann tatsächlich Behinderten-Parkplätze gibt!

Barrierefreie Chefetage?

Was ist in unserer Gesellschaft los? Gibt es keine gehbehinderten Menschen, die Verantwortung als Führungskräfte oder Unternehmerinnen und Unternehmer übernehmen können/wollen/dürfen? Wenn es welche gibt, sind es nur wenige. Dann ist die Frage: Warum ist das so? Sollte es wirklich daran liegen, dass so mancher denkt, wenn jemand im Rollstuhl sitzt, dann hat er oder sie zwangsläufig auch noch andere Behinderungen?

Oder werden Menschen mit Handicap  nicht genügend gefördert? Liegt es am Schulsystem? Vielleicht ändert sich mit der hochgelobten Integration endlich etwas, wenn Schule und Hochschulen barrierefrei werden und dort auf die Bedürfnisse von Menschen mit körperlichen Behinderungen eingegangen werden kann. Bis dahin sind es wir Unternehmerinnen und Unternehmer, die körperbehinderte Menschen mit Potential entdecken und fördern sollten. Ich bin mir sicher, dass sie jedem Unternehmen in ganz besonderer  Weise gut tun!

Ich wünsche mir sehr, dass es irgendwann ganz normal ist, wenn jemand in Führungsetagen mit Krücken, im Rolli oder einem Blindenstock seinen Job macht!

 

Allgemeine Themen / 26. Juni 2017

Barrierefrei !?

Ein Plädoyer für mehr Körperbehinderte in den Führungsetagen

„Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch ganz natürlich dazu gehört. Egal, wie du aussiehst, welche Sprache du sprichst oder ob du eine Behinderung hast. (…) Wenn jeder Mensch überall dabei sein kann, am Arbeitsplatz, beim Wohnen oder in der Freizeit: Das ist Inklusion.“

So wird der sperrige Begriff bei www.aktion-mensch.de erklärt. Soweit die Theorie. Auf vielen Ebenen wird daran gearbeitet das in die Praxis umzusetzen. Aber die Realität ist noch weit von diesem Ziel entfernt.

Exklusion statt Inklusion

Davon kann ich als Gehbehinderter mit einer Spastik einiges berichten. Auf manches musste ich schon verzichten, weil ich nicht gut zu Fuß bin oder konnte es nur mit grossem Einsatz erleben. Ich denke da an den weltbekannten Blick über das Elbtal auf die Tafelberge der Sächsischen Schweiz, den man auf der Bastei genießen kann www.oberelbe.de .

Es gibt auf dieser Felsenformation zwar einen abgesicherten Weg. Wenn Sie diesen aber, wie ich, mit zwei Krücken bewältigen müssen, werden Sie merken, dass hier Inklusion noch ein Fremdwort ist. Mit einem Rollstuhl ist die Strecke überhaupt nicht zu bewältigen. Ich finde es wirklich traurig, dass somit manchen Menschen dieses Naturerlebnis verwehrt bleibt.

Bin ich eine Ausnahme?

Inklusion: Es gibt noch so viel in unserem Land zu tun, damit Menschen mit Behinderung ganz selbstverständlich „überall dabei sein“ können. In allen gesellschaftlichen Bereichen. Ich stelle mir schon lange die Frage: Wo sind bei den vielen Netzwerk-Veranstaltungen, die ich besuche, die Menschen mit Handicaps? Oft bin ich der Einzige. Gibt es wirklich so wenige Führungskräfte und Selbstständige, die eine Körperbehinderung haben?

Es scheint so zu sein und aus eigner, leidvoller Erfahrung kann ich sagen, dass mir aufgrund meiner Behinderung, der Weg in die Selbstständigkeit nicht leicht gemacht worden ist. Was hat mir geholfen, nicht aufzugeben? Es war mein Ehrgeiz, mein fester Wille allen zu zeigen, was in mir steckt. Das hat oft viel zusätzliche Kraft gekostet. Aber es hat sich im Nachhinein gelohnt.

Körperbehindert = „Nichts drauf“!?

Leider denken viele immer noch, dass eine körperliche Behinderung gleichbedeutend damit ist, dass man auch in anderen Bereichen eingeschränkt ist und „nichts drauf“ hat! Auch in den Netzwerken, in denen ich unterwegs bin, ist kaum das Bewusstsein vorhanden, dass es unter den Körperbehinderten qualifiziertes Personal geben könnte, dass auch gut in Führungspositionen einzusetzen wäre.

Die Frage ist natürlich: Wie kann man das ändern?
Darauf habe ich bis jetzt auch noch keine zufriedenstellende Antwort.
Aber vielleicht ist es ja ein Anfang, dass Sie, als Leserinnen und Leser, für dieses Thema sensibilisiert werden und offen werden für qualifizierte Mitarbeiter im Rollstuhl oder mit Krücken!

Auf dass die „Aktion-Mensch“ Definition von „Inklusion“ irgendwann auch in den Führungsetagen Alltag sein kann