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Gerüste / 1. Juni 2021

Schwachsinn! Keine Preispolitik! Warum ich als Unternehmer mit Weitblick nicht auf Gerüstmiete verzichten werde

Preispolitik Gerüstmiete

Von Walter Stuber  

Vor ein paar Jahren sprach ich mit einem Gerüstbaumeister über die Kalkulation von Gerüstpreisen. Diese setzen sich normalerweise aus drei Positionen zusammen: Montage, Demontage und Gerüstmiete. Der Kollege erzählte mir stolz, dass er sein komplettes Gerüstmaterial mittlerweile bezahlt hatte. 

Deshalb würde er, wenn ein Kunde mit dem veranschlagten Komplettpreis nicht einverstanden wäre und er diesen Auftrag unbedingt haben wollte, auch mal auf die Gerüstmiete verzichten. Man beachte: Je nach Größe des Gerüsts und Mietdauer kann es sich locker um einen sechs – oder siebenstellige Beträge handeln!  

Alles bezahlt!? 

Das klingt im ersten Moment nach kundenfreundlichem Entgegenkommen und angepassten Preisen. Für mich ist so etwas allerdings keine Preispolitik, sondern großer Schwachsinn. Kein Autovermieter würde Autos kostenlos zur Verfügung stellen. Kein Baugeräte-Verleiher gibt seinen Bagger ab, ohne Miete dafür zu nehmen! Es gehen Teile kaputt durch unachtsames Verhalten der Mieter, die Fahrzeige müssen gewartet werden.  

„Das Material ist schon bezahlt, deshalb nehme ich keine Miete!“, ist für mich ein sehr fragwürdiges, ja sogar gefährliches Argument. Denn ein „alles bezahlt“ gibt es strenggenommen bei uns nicht. Damit meine Gerüste den höchsten Sicherheitsvorschriften entsprechen, muss ich immer wieder Verschleißteile austauschen und in neue, innovative Techniken investieren. Dazu werden die Mieteinnahmen benötigt. 

Alter Brauch, aber noch sinnvoll? Weniger Gerüstmiete im Winter 

Gerüste verleihen für ein „Dankeschön“? Das geht meiner Meinung nach gar nicht. Aber genau das wird in unserer Branche durchgezogen. Nicht nur, wenn auf Miete verzichtet, damit man einen Auftrag bekommt. Es gibt seit Jahrzehnten das ungeschriebene Gesetz, dass in den Wintermonaten keine oder nur eine verminderte Gerüstmiete verlangt wird.  

Auf den ersten Blick ist das eine kundenfreundliche Geste, unternehmerisch gesehen ist das ein Unding. In der Gerüstbau-Branche ist die Preispolitik sowieso schon hart, wie ich in meinem Blog zur Nachbesserung deutlich gemacht habe. Auf Mieteinnahmen für Gerüste kann und will ich, aus genannten Gründen, nicht verzichten. 

Die nachfolgend Meister-Generation als Hoffnungträger  

Seit über 40 Jahren bin ich im Gewerk Gerüstbau unterwegs und habe viele Höhen und Tiefen erlebt. Meine Beobachtung ist, dass manche Abläufe und Praktiken werden gar nicht mehr hinterfragt werden. Meine Hoffnung liegt auf der nachfolgenden Gerüstbaumeister-Generation. Mein Kompagnon Dirk Eckart sieht das ähnlich.  

Deshalb wollen wir zukünftigen Führungskräften im Gerüstbau und anderen Handwerker-Branchen, Praktikumsstellen anbieten, damit sie von unseren Erfahrungen für ihre berufliche Zukunft und das Leiten eines Unternehmens profitieren. Das Thema „Sinnvolle Preispolitik“ wird im Rahmen des Praktikums auf jeden Fall ausführlichst zur Sprache kommen. 

Allgemeine Themen / 26. Januar 2021

Existenzangst!

Existenzangst

Existenzangst! Wie reagiere ich als Unternehmer*in in Krisen

Corona hat unser Land in einen Ausnahmezustand gebracht. Wobei im Vergleich zu anderen Ländern geht es uns in Deutschland noch relativ gut oder zumindest besser. Da schreibe ich nichts Neues. Viele suchen nach den Fehlern im System. Fakt ist: Man kann es leider nicht jedem recht machen.

Besonders unter Selbstständigen und Unternehmern unterschiedlichster Branchen herrscht eine große Existenznot. Die Verlängerung des Lockdowns bis Ende Januar trifft das Hotel- und Gaststättengewerbe und den Einzelhandel besonders hart. Hier fragen sich viele, wie sie überleben können. Das ist total verständlich.

Von Walter Stuber

Kurz vor der Pleite

Was ich nicht verstehe ist – und das habe ich schon in meinem Blog vom 5.Januar gemacht- , dass so mancher sich darauf versteift, dass die staatliche Hilfe alles richten wird. Das ist eine Utopie!

Die Situation jetzt kann man vergleichen mit einer krassen unternehmerischen Fehleinschätzung. Die kann man genauso wenig voraussehen, wie eine Pandemie mit diesem Ausmaß, wie wir sie gerade erleben. So etwas haben Dirk Eckart und ich 2010 erlebt. Wir hatten uns bei einem großen Projekt so sehr verkalkuliert, dass unsere Existenz bedroht war. Wir haben damals nicht nach dem Staat geschrien, sondern mit unserer Hausbank gesprochen.

Unternehmerische Freiheit mit vollem Risiko

Tatsächlich haben wir dort die nötige Hilfe bekommen. Allerdings nicht ohne, dass wir beide sämtliche Ersparnisse und sogar unsere kompletten Rentenrücklagen eingebracht haben. Zusätzlich haben wir über mehrere Jahre auf einen Teil unseres Geschäftsführergehaltes verzichtet und haben letztendlich weniger Geld bekommen als unsere Führungskräfte.

Aber dafür bin ich Unternehmer und kein Angestellter! Der Preis für meine unternehmerische Freiheit ist, dass ich bei allem das volle Risiko tragen! Gerade in Krisen wie jetzt ist es wichtig, dass wir Unternehmer*innen Demut lernen und bereit sind zu verzichten, damit es für das Unternehmen weitergehen kann. Ich bin mir sicher: Es werden wieder bessere Zeiten kommen! Bis dahin müssen wir maßvoll handeln. Nichts anderes bedeutet demütig zu sein.

Allgemeine Themen / 24. April 2019

Hausgemachtes Problem: Wie Überproduktion und Wegwerfmentalität den Fachkräftemangel beeinflussen

Von Walter Stuber  

Immer schneller, immer höher, immer das Neuste. Und das bitte schön sofort! Warten haben die Generationen Y und Z nicht gelernt. Die, die zwischen 1980 und 2000 geboren wurden, sind mit dem ersten Internetboom und der Globalisierung aufgewachsen. Für die Jahrgänge 1995 bis 2010 war die Digitalisierung bereits Alltag.

Genau das macht den Unterschied zwischen Generation Y/Z und den „Älteren“. Da gehöre ich als 1961er Jahrgang auch dazu. Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, als wir Angebote und Verträge per Post verschickt haben und es dementsprechend lange dauerte, bis ein Geschäft abgeschlossen werden konnte.

Produktion bis zum Anschlag 

Natürlich liebe ich es über das Internet schnell mit Menschen zu kommunizieren, Tag und Nacht Informationen abrufen zu können und schnell wichtige Bestellungen abzusetzen und das Gewünschte innerhalb kürzester Zeit geliefert zu bekommen. Fortschritt ist wichtig. Wir brauchen ihn! Aber ich frage mich immer öfter, ob es uns wirklich weiterbringt und gut tut, wenn wir nach dem Motto: „Immer schneller, immer höher, immer das Neuste, immer mehr“ leben!

Wir produzieren in allen Bereichen bis zum Anschlag! Im Supermarkt fällt das besonders auf. Zum Beispiel ist die Auswahl an Joghurtsorten fast unüberschaubar! Wer soll das alles kaufen und essen? Am Ende werden jede Menge wertvolle, einwandfreie Lebensmittel entsorgt und dazu noch viel Müll produziert.

Die „Immer mehr“ – Kettenreaktion 

Das ist weder verantwortungsvoller Umgang mit Lebensmitteln noch ist es umweltbewusst! Aber nicht nur deshalb muss meiner Meinung nach ein Umdenken stattfinden! Durch die Überproduktion und unsere „Wegwerf-Mentalität“ wird der Fachkräftemangel immer größer werden!

Wenn die herstellenden Betriebe ihr Angebot immer mehr erweitern, brauchen sie immer mehr Arbeiter. Mehr Produkte bedeuten aber auch mehr Müll. Für die Entsorgung werden mehr Helfer benötigt! Die große Frage ist: Woher sollen die ganzen Arbeitskräfte kommen? Sie fehlen ja schon jetzt!

Verzicht aus Verantwortung

Meine These ist: Wenn Firmen und Konzerne darauf verzichten würden, ihre Produktpalette immer mehr zu erweitern, dann müssten sie nicht zusätzliche Mitarbeiter einstellen. Somit ständen dort Mitarbeiter zur Verfügung, wo sie dringend gebraucht werden würden!

Das könnte natürlich zur Folge haben, dass die Rendite stagnieren würde. Meine Frage an Unternehmer: Müssen die Gewinne wirklich jedes Jahr steigen, wenn es finanziell doch schon gut aussieht? Reihen Sie sich ein in das „Immer mehr Produkte, mehr Einfluss, mehr Geld“ oder kann nicht auch mal der Punkt kommen, wo Sie sagen: „Es ist so gut, so wie es ist!“ Auch im Blick auf den Fachkräftemangel und die Verantwortung für die, die nach uns kommen?

Entscheidungen haben Einfluss auf die nächste Generation

Ich bin davon überzeugt, dass es an der Zeit ist die Generation Y und Z darauf aufmerksam zu machen: Immer mehr – ist nicht immer gut! Das gilt im unternehmerischen Bereich genauso wie im privaten. Ich muss zuerst bei mir selber überprüfen, ob mein Konsumverhalten die Wegwerfmentalität und die Überproduktion unterstützt. Zum Beispiel: Brauche ich wirklich ein neues Handy oder tut es das Alte noch? Wo macht es Sinn Gebrauchtes zu kaufen?

Unsere persönlichen und auch die wirtschaftlichen Entscheidungen haben mehr Einfluss auf die Zukunft als wir ahnen. Uns sollte bewusst sein: Wir tragen Verantwortung für die Generation A, das ist die Bezeichnung für die ab 2010 Geborenen. Die Wissenschaftler haben nach „Generation Z“ einfach wieder mit dem Alphabet von vorne angefangen. „A“ – steht übrigens für „Alpha“.